Artikel: Hannover Allgemeine Zeitung Isernhagen, von Martin Lauber
Vom Springer zur Dauerlösung
Keine Bewerbung auf die Stelle: Wie Kirchhorst es geschafft hat, Pastor Karl-Martin Harms dauerhaft für sich zu gewinnen
Kirchhorst/Neuwarmbüchen. Die gute Nachricht zuerst: St. Nikolai hat bald wieder einen eigenen Pastor. Das ist in Zeiten von Nachwuchsmangel für eine kleine ländliche Kirchengemeinde keine Selbstverständlichkeit mehr.
Vakanzpastor will bleiben
Zum 30. November 2024 hatte Jessica Jähnert-Müller nach viereinhalb Jahren in Kirchhorst den Posten geräumt, um als Seelsorgerin an die Medizinische Hochschule Hannover zu gehen. Vakanzvertreter ist seitdem Karl-Martin Harms. Er wird am Sonntag, 31. August, um 15 Uhr offiziell die Nachfolge von Jähnert-Müller antreten und feierlich in sein Amt eingeführt. Nach Jahrzehnten als Springer des Kirchenkreises Burgwedel-Langenhagen möchte der 63-Jährige nun „sesshaft“ werden. Bis zum Ruhestand mit 67.
Harms’ Bewerbung – sie war die einzige für die Stelle – hat der Kirchenvorstand von St. Nikolai seinen Segen längst erteilt, ein einstimmiges Votum. Aber offiziell grünes Licht kann es erst geben, wenn nach Ablauf einer Woche nach dem sogenannten Aufstellungsgottesdienst keine Einwendungen gegen den Bewerber beim Kirchenvorstand vorgetragen worden sind. So wollen es die Regularien.
Sagt Kirchhorst ja? Eine reine Formalie
Seinen Aufstellungsgottesdienst hatte Harms in Talar und Beffchen gehalten und die Besucher dazu im Gemeindesaal an einer langen Tafel Platz nehmen lassen. Die Liturgie wurde für ein gemeinsames Frühstück von Jung und Alt unterbrochen, das viele der Gemeindemitglieder mit mitgebrachten Leckereien anreicherten. „Es war schön, sich füreinander Zeit zu nehmen“, berichtet der Geistliche. Mit Einwänden rechne niemand, sagt Kirchenvorstandsvorsitzender Stefan Töpfer. Fürs formale Okay, das nach der vorgeschriebenen Frist dem Superintendenten übermittelt wird, werde das Gremium in den ersten Ferientagen zusammenkommen. Reine Formsache.
Ein „alter Hase“ sei er, sagt Karl-Martin Harms. Als Springer und Vakanzvertreter kenne er alle Gemeinden im Kirchenkreis von innen. Mit einem Viertel seiner bisherigen Stelle war er bisher zudem der ökumenischen Flughafenseelsorge auf dem Airport Hannover in Langenhagen zugeteilt. In einer kleinen Kapelle auf der Ankunftebene zwischen Terminal A und B teilte er sich den Seelsorger-Job mit einer katholischen Kollegin, unterstützt von einem ehrenamtlichen Team.
Zehntfest, Ehrenamtliche und Kirche überzeugen
Freiwillige gibt es auch reichlich in St. Nikolai. Für Kirchhorst habe er sich auch deswegen beworben, erklärt Harms. Im Zehntfest-Team hat der Pastor während seiner Vertretungszeit selbst die Ärmel hochgekrempelt. „Das Zehntfest ist etwas ganz Besonderes. Und es funktioniert nur, weil viele Menschen die Sache selbst in die Hand nehmen“, betont er.
Jugendgruppen, Chöre, der Förderverein Juki, die Kinder- und Seniorenarbeit, die ungewöhnlich hohe Zahl von Konfirmanden – die Gemeinde mit ihrem aufgeschlossenen Kirchenvorstand habe mit ihrer Lebendigkeit bei ihm gepunktet, verrät Harms. Angetan habe es ihm aber auch die aus Raseneisen- und Findlingssteinen erbaute romanisch-gotische Kirche mit ihren herrlichen Fresken im Altarraum. „Ein Kleinod.“
Dass die Gemeinde während der Vertretungszeit ihre Bewährungsprobe bei Harms bestanden hat, gilt auch umgekehrt. Kirchenvorsteher Töpfer bekennt: „Natürlich sind wir froh, dass er genau der ist, der hier ins Team passt und geschätzt wird.“ Die Gemeinde bemühe sich darum, im Leben junger Familien mehr Relevanz zu gewinnen. Mit Jähnert-Müller habe man sich auf diesen Weg gemacht, mit Harms werde man ihn fortsetzen. Alter spiele dabei keine Rolle, sondern allein der Mensch.
Flughafen-Seelsorge entfällt als Aufgabe
Für die nächsten drei bis vier Jahre ist die St.-Nikolai-Gemeinde, die auch für die evangelischen Christen in Neuwarmbüchen zuständig ist, also erst einmal versorgt. Der Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen muss sich indes auf die Suche nach einem neuen Springer machen, der wie Harms auch die Flughafenseelsorge versieht.
Im Kirchenkreis Burgwedel-Langenhagen sind dann wieder alle Stellen besetzt. Weitere offenen Stellen gibt es nicht, berichtet Andrea Hesse, die im Kirchenkreis für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist. „Wir sind gut aufgestellt.“ In der Landeskirche insgesamt sind hingegen aktuell rund 50 Pfarrstellen zur Neubesetzung ausgeschrieben. Daneben gibt es weitere, bei denen die Wiederbesetzung aus strukturellen Gründen zunächst ausgesetzt ist.
Pfarrstellen erhalten wenige Bewerbungen
Neubesetzungen erfolgten nur noch selten nahtlos, berichtet die Pressestelle auf Anfrage. Oft seien Pfarrstellen zwischen drei und zwölf Monaten ausgeschrieben, manche auch länger. Vermehrt werde, wenn Bewerber fehlen, ein anderer Weg organisiert, um die pastorale Versorgung sicherzustellen – etwa durch Gastdienste von Pastorinnen und Pastoren im Ruhestand.
Oder eben durch Springer-Pastoren wie Karl-Martin Harms. Vielleicht wird Kirchhorst also zum Vorbild für manch eine dörfliche Kirchengemeinde: Wenn es keine Bewerbungen gibt, dann muss man eben all seinen Charme aufbieten und die Chance nutzen, den Springer zu binden.
